Augenoptiker-Meister oder Augenarzt:

Wer bestimmt und verordnet die benötigten Brillenstärken ?

 

Hinweis (Stand 08-2017, Angaben ohne Gewähr):

Die gesetzlichen Krankenkassen (nicht die Privaten!) wollen/werden bei Stärken ab sph. +/- 6,25 (oder ab cyl. 4,25)

 nur dann einen Zuschuss zahlen, wenn eine augenärztliche Verordnung vorliegt.

Rein statistisch trifft dieses aber nur auf 4% aller Brilenträger zu.

 

• Vorbemerkung

Vielfach ist der Laie fälschlich der Überzeugung, dass allein ein Augenarzt für die Messung (fachl.: Refraktion) und Verordnung von Brillenglasstärken zuständig ist. Da viele augenärztliche Rezepte Vermerke wie „Nachrefraktion erforderlich“ oder „Diese Werte eignen sich als Grundlage für einen noch durchzuführenden Feinabgleich“ haben, trägt dieses zur Erkenntnis des Patienten bei, daß ein Augenoptiker-Meister ebenfalls messen, verordnen und hiernach anfertigen darf.

(Aktuell 11/2014: Einige Augenarztpraxen schicken Ihre Patienten direkt zum Augenoptiker. Dieser soll messen und verordnen.)

 

• Gegenüberstellung

Ein Augenarzt ist Arzt für die Augen-Heilkunde. In Abgrenzung zum Augenoptiker-Meister darf er u.a. Diagnosen stellen und Heilmittel verordnen. Ein Augenoptiker-Meister ist erlernter Augenoptiker mit sogenanntem großem Befähigungsnachweis.

Er hat (u.a.) die Brillenglasbestimmung zwingend zu erlernen und dieses Können war/ist in der Meisterprüfung unter Beweis zu stellen. Sonst erhält er keinen Meistertitel. (Gleiches gilt übrigens für die Kontaktlinsen-Anpassung.)

Es ist auch Aufgabe des Augenoptiker-Meisters, Auffälligkeiten am gesamten Auge aufzudecken, die möglicherweise auf eine ernste Augenerkrankung hinweisen. Eine Diagnose darf er nicht stellen, dieses ist u.a. das reine Fachgebiet (in Abgrenzung) des Augenarztes.

Nur der Augenoptiker-MEISTER -und nicht der Auszubildende oder Gehilfe !- darf refraktionieren und hiernach anfertigen !

 

• Im Klartext

Der Augenarzt darf erforderliche Brillenstärken messen und verordnen, weil dieses Bestandteil der Facharztausbildung ist.

Der Augenoptiker-Meister darf erforderliche Brillenstärken messen und verordnen, weil dieses ein wesentlicher Bestandteil seiner Ausbildung zum Meister ist und er hierin eine erfolgreiche Prüfung ablegen musste.

 

• In der Praxis

Es gilt als verbindlich anerkannt, daß eine vorgelegte ärztliche Verordnung vom Augenoptiker grundsätzlich nicht angezweifelt werden darf. Eine pauschale Anzweiflung wird generell als Herabsetzung der augenärztlichen Position angesehen und ist nach den Regeln desWettbewerbsrechts nicht statthaft. (Ausnahme bei Erkennung von groben Fehlern: Bsp. +10,00 dpt. mit -10,00dpt.verwechselt.)

 

Immer häufiger werden aber ärztliche Rezepte vorgelegt, die Vermerke wie diese tragen:

„Die Werte eignen sich als Grundlage für einen noch durchzuführenden Feinabgleich“, „Nachrefraktion erforderlich“, „Tagesaktuelle Werte, Nachkontrolle erbeten“ u.v.m.

In diesen Fällen gilt es als anerkannt, daß infolge der ärztlichen Selbstanzweiflung diese Verordnungen durch den Augenoptiker-Meister kontrolliert werden müssen. Gefundene Abweichnungen dürfen selbständig übernommen und angefertigt werden.

Auch der selbständig vom Kunden (!) geäusserte Wunsch, die ärztlichen Stärken zu kontrollieren, entbindet den ausführenden Augenoptiker-Meister von der Verpflichtung der bedingungslosen Übernahme der ärztlichen Werte.

 

• Problematiken

Auch geringfügige Abweichnungen von optimalen Werten können bei der Anfertigung (insbesondere von Hochpräzisionsgläsern) zu Unverträglichkeitserscheinungen führen. Der Augenoptiker-Meister war zur Übernahme der ärztlichen Werte verpflichtet, der Kunde hat für die Anfertigung bezahlt und das Ergebnis ist alles andere als zufriedenstellend.

Erst eine jetzige Augenoptikermeister-Kontrolle deckt Abweichungen zur benötigten Soll-Stärke auf. (Der in früheren Zeiten mögliche kostenlose Umtausch seitens der Industrie ist aktuell nur noch in seltenen Fällen möglich.)

 

• Es kommt nicht selten zu Gerichtsverfahren mit folgenden Argumenten:

Der ausführende Augenoptiker beruft sich auf die ordnungsgemäße Anfertigung mit den Stärken gemäß ärztlicher Verordnung.

Der verordnende Augenarzt beruft sich vielfach auf das Auge als lebendes Organ, welches möglichen (!) Schwankungen unterliegt:

„Als Sie damals bei mir waren, hatten Sie genau diese Stärken. Wenn sich die Augen aber zwischenzeitlich (Anmerk. d. SV: auch kurzfristig möglich) geändert haben, so liegt dieses nicht an mir...“.

 

• Hinweis als Gerichtsgutachter:

Eine rückwirkende Feststellung der damalig benötigten Stärken ist i.d.R. nicht möglich. Folglich kann ein Nachweis der Stimmigkeit oder der Nichtstimmigkeit zumeist nicht erbracht werden, denn hierfür hätte man SOFORT nach der ersten Messung kontrollieren müssen. Stärkenschwankungen sind möglich !

Ist die Brille nunmehr auch nach allen sonstigen Regeln korrekt angefertigt worden, so bleibt dem Kunden nur die Erkenntnis, dass er Geld für eine nicht vollumfängliche Nutzbarkeit zahlte bzw. zahlen muss...

 

• Fazit aus augenoptischer Sicht

Viele Augenärzte können hervorragende Stärkenbestimmungen (Refraktionen) durchführen. Zukünftige -auch kurzfristige- Änderungen des lebenden Organs Auge können aber nicht vorherbestimmt werden.

Augenoptiker-Meister dürfen selbständig messen und hiernach auch anfertigen. Sie müssen die Refraktionsbestimmung -weil erlernt und hierin geprüft- auch vollständig beherrschen. Der Augenoptiker darf das ärztliche Rezept grundsätzlich nicht anzweifeln:

Er hat die augenärztlich verordneten Werte i.d.R. als zwingende Vorgabe anzuerkennen.

Nur nach selbständiger Aufforderung des Kunden, bei offensichtlichen Fehlern und bei unvollständigen Angaben (z.B. Lücken) darf er seine eigenen ermittelten Stärken übernehmen.

 

Erfahrung zu Rechtsstreitigkeiten

Kommt es zu Abweichnungen, Unverträglichkeiten und ggf. zu Gerichtsverfahren, so ist der Kunde mit einer Messung vom Augenoptiker-Meister aus folgendem Grund meist besser gestellt:

Wenn irgendetwas nicht stimmen sollte, so gibt es nur eine einzige verantwortliche Person. Der Augenoptiker-Meister ermittelte alle Vorgaben selber, Sie erhielten sozusagen „alles aus einer Hand“.

 

Ferner:

Die anfertigende Firma ist generell daran interessiert ihre Kunden zufrieden zu stellen. Der Kunde merkt, daß man sich hier auch in Zweifelsfällen um ihn kümmert. Und diesen Fachleuten wird sich der Kunde auch zukünftig wieder anvertrauen.

 

Zum pdf-Download dieses Beitrags (hier z.Zt. Link 7)

http://www.optikgutachter.de/index.php/alle-beitraege/81-download-sonstiges

 

Wolfgang Hirt

Die rechtliche Prüfung des Beitrages erfolgte durch Herrn RA Dr. Jan Wetzel (ZVA-Düsseldorf)

 

 

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